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70 Jahre Grundgesetz – verfassungsrechtlicher Schutz nationaler Minderheiten fehlt nach wie vor

24.05.2019

Anlässlich des heutigen 70. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes erklärt der Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag für nationale Minderheiten, Heiko Kosel:

Das Grundgesetz erwies sich in vielen Bereichen innerhalb der deutschen Verfassungsgeschichte als fortschrittlich. In einem Punkt war es aber von Anfang an mit einem Defizit behaftet. Anders als die Frankfurter Paulskirchenverfassung (Art. 13, §188), die Verfassung der Weimarer Republik (Art. 113) und die Verfassung der DDR (Art. 40) enthielt das Grundgesetz von Anfang an keinen Artikel zum Schutz nationaler Minderheiten.

Auch der Versuch im Rahmen der Beratung der „Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat“ Anfang der 90er Jahre, die verfassungsrechtlichen Impulse aus der DDR aufzugreifen, scheiterte. Zwar wurden in einer intensiven Debatte verschiedene Vorschläge unterbreitet, aber selbst der Minimalvorschlag – „Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten“ – wurde durch die Abgeordneten von CDU und vor allem der CSU verhindert. Seither haben viele europäische Staaten in Europa Artikel zum Schutz nationaler Minderheiten in ihre Verfassung aufgenommen, bedingt durch die Kopenhagener Kriterien zur Aufnahme in die EU, insbesondere unsere südlichen und osteuropäischen Nachbarn. Die Bundesrepublik sollte endlich zu den fortschrittlichsten europäischen Verfassungstraditionen im Minderheitenschutz aufschließen.

Nicht zuletzt sollten dazu die europäischen Erfahrungen Anlass sein, die zeigen, dass eine solide Gewährung des Schutzes nationaler Minderheiten gerade auf der Verfassungsebene eine Zuspitzung des Verhältnisses zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft verhindern kann. Und schließlich sollte auch die aktuelle Lage des sorbischen Volkes, das seine Sprache und Kultur unter verschiedenen Herrschaftsregimen zu erhalten wusste, dessen Sprache aber gegenwärtig durch die UNESCO als gefährdet eingeschätzt wird, Anlass sein, die Aufnahme eines Minderheitenschutzartikels ins Grundgesetz erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

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